Genf
Seit 2002 kennt Genf das Öffentlichkeitsprinzip in seiner Verwaltung. Als einziger Kanton erfasst dieses in Genf auch privatrechtliche Organisationen, die mindestens 50 Prozent ihres Budgets mit öffentlichen Subventionen bestreiten oder in deren Entscheidgremien Vertreter der öffentlichen Hand sitzen. Auch Unternehmen sind vom Gesetz erfasst, an denen die öffentliche Hand zu mindestens 50 Prozent beteiligt ist.
Loi sur l’information du public, l’accès aux documents et la protection des données personnelles (LIPAD) des Kantons Genf vom 5. Oktober 2001
Verfassungsrang? | Nein |
Gesetz in Kraft seit | 1. März 2002 |
Links | Gesetz Verordnung |
Kantonaler Öffentlichkeitsbeaufftragter | Stéphane Werly Préposé cantonal République et Canton de Genève Protection des données et transparence Quai Ernest-Ansermet 18bis 1205 Genève Tel.: +41 (0) 22 546 52 40 Fax: +41 (0) 22 546 52 49 Website |
Grundsatz | Das Gesetz gilt für kantonale und kommunale Institutionen. Unterstellt sind auch privatrechtliche Organisationen, an denen die öffentliche Hand zu mindestens 50 Prozent beteiligt ist, die sich zu mindestens 50 Prozent aus Beiträgen der öffentlichen Hand finanzieren oder in deren Entscheidgremien die öffentlichen Hand vertreten ist. Auch bei Privaten gilt das Gesetz, sofern sie öffentliche Aufgaben erfüllen. Gesetzestext |
Regierung | Ja Gesetzestext |
Verwaltung | Ja Gesetzestext |
Parlament | Ja Gesetzestext |
Justiz | Ja mit Einschränkungen (siehe Gesetzestext). Gesetzestext |
Gemeinden | Ja Gesetzestext |
Kirchen | Ja Gesetzestext |
Private, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen | Ja Gesetzestext |
Privatrechtliche Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand | Ja sofern die öffentliche Hand die Aktienmehrheit besitzt. Eine Liste der betroffenen Unternehmen findet sich hier www.ge.ch/ppdt/espace-citoyen/liste_des_institutions.asp. Gesetzestext |
Private Organisationen, die von den öffentlichen Hand (mit-) finanziert werden | Ja Wenn die öffentlichen Subventionen mindestens die Hälfte des Budgets einer Organisation ausmachen und mindestens 50000 Franken pro Jahr betragen gilt das Gesetz. Eine Liste der betroffenen Organisationen findet sich hier. Gesetzestext |
Private Organisationen, an deren Entscheidfindung Vertreter der öffentlichen Hand beteiligt sind | Ja sofern Vertreter der öffentlichen Hand in den Entscheidorganen der Organisation vertreten sind und einen «entscheidenden» Einfluss auf deren Willensbildung oder Geschäftsgang haben. Eine Liste der betroffenen Organisationen findet sich hier. Gesetzestext |
Protokolle nicht öffentlicher Verhandlungen | Teilweise Das Gesetz unterscheidet zwischen nicht öffentlichen und geheimen Sitzungen. Dokumente aus nicht öffentlichen Sitzungen sind dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt. Die Wortmeldungen und das Abstimmungsverhalten in geheimen Sitzungen sind geheim. Beschlüsse geheimer Sitzungen werden veröffentlicht, soweit ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse diees rechtfertigt. Gesetzestext |
Dokumente zu hängigen Geschäften | Ja Das Gesetz nimmt Dokumente zu hängigen Geschäften nicht explizit vom Öffentlichkeitsprinzip aus. |
Unfertige Dokumente | Nein Gesetzestext |
Dokumente zum internen Gebrauch | Nein Gesetzestext |
Dokumente zum persönlichen Gebrauch | Nein Gesetzestext |
Dokumente, die älter sind als das Gesetz | Ja Das Gesetz gilt unbefristet rückwirkend. |
Öffentliche Sicherheit | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Äussere Beziehungen | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Geschäftsinteressen | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Entscheidfindung der Behörde | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Verhandlungsposition | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Wirksamkeit behördlicher Massnahmen | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Privat- und Familiensphäre | Wo es der Aufwand zulässt, sind Personendaten einzuschwärzen. Grundsätzlich findet findet eine Interessenabwägung statt. Die Behandlung von Personendaten durch privatrechtliche Personen oder Organisationen unterliegt dem Gesetz nicht. Gesetzestext |
Personendaten in Straf-, Zivil-, Administrativ- oder Rechtshilfeverfahren | Der Umgang mit Personendaten in Straf-, Zivil-, Administrativ- oder Rechtshilfeverfahren untersteht dem Gesetz nicht. Gesetzestext |
Berufs-, Fabrikations-, Geschäfts-, Steuer-, Bank- oder Statistikgeheimnis | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Ungerechtfertigte Vorteile | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Noch nicht publizierte Forschungsergebnisse | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Positionen in geheimen Sitzungen | Es findet eine Interessenabwägung statt. Gesetzestext |
Unverhältnismässiger Aufwand | Würde die Bearbeitung eines Gesuchs offensichtlich unverhältnismässigen Aufwand verursachen, kann die Behörde das Gesuch ablehnen. Gesetzestext |
Hängige Geschäfte | Das Gesetz nimmt Dokumente zu hängigen Geschäften nicht explizit vom Öffentlichkeitsprinzip aus. |
Dokumente zum internen Gebrauch | Gelten nicht als Dokumente im Sinne des Gestzes. Gesetzestext |
Dokumente zum persönlichen Gebrauch | Gelten nicht als Dokumente im Sinne des Gestzes. Gesetzestext |
Unfertige Dokumente | Sind keine Dokumente im Sinne des Gestzes. Gesetzestext |
Zeitliche Beschränkung | Nein Das Gesetz gilt unbefristet rückwirkend. |
Weitere Ausschlussgründe | Ja Die Aufzählung öffentlicher und privater Interessen, die einer Offenlegung entgegenstehen können, ist nicht abschliessend. Weitere Gründe können vorgebracht werden. |
Andere gesetzliche Bestimmungen | Bleiben vorbehalten. Gesetzestext |
An wen ist das Gesuch zu richten? | An das Organ, welches das Dokument besitzt. Die Adressen der Behörden sind im Staatskalender verzeichnet. |
Wie ist das Gesuch einzureichen? | Formlos Gesetzestext |
Muss das Gesuch begründet werden? | Nein Jede Person hat ohne Nennung von Gründen Anspruch auf Aktenzugang. Gesetzestext |
Bis wann muss die Behörde ein Gesuch beantworten? | «Schnell» (in der Regel innert einer Woche). Gesetzestext |
Gibt es ein Schlichtungsverfahren? | Ja Das Mediationsverfahren wird vom kantonalen Öffentlichkeitsbeauftragten durchgeführt. Gesetzestext |
Sind die Ergebnisse der Schlichtungsverfahren öffentlich? | Ja Die Entscheide werden im Internet publiziert. |
Wie sieht der Rechtsweg aus? | Wenn der kantonale Öffentlichkeitsbeauftragte in einem Schlichtungsverfahren eine Empfehlung erlassen hat, entscheidet die Behörde innert 10 Tagen, ob sie der Empfehlung folgt. Der weitere Rechtsweg richtet sich nach dem üblichen Verwaltungsverfahren. Gesetzestext |
Kosten | Ausnahmsweise Für das Erstellen von Kopien fallen Gebühren an. Für Dokumente, die kommerziell genutzt werden, kann die Behörde ein marktgerechtes Entgeld verlangen. Die Kosten sind in Art. 24 der Verordnung detailliert geregelt. Das Schlichtungsverfahren ist gratis. Gesetzestext |
Blog-Beiträge zum Kanton Genf
28. März 2022 | Transparenz-Verbote sind nicht sakrosankt |
14. Februar 2020 | Parlamentskommission will keine Gebühren-Hürden mehr |
23. Februar 2018 | Das «Haus der Kantone» denkt über mehr Transparenz nach |
08. November 2017 | Spät startet die Genfer Justiz eine Transparenz-Offensive |
02. Juni 2015 | Kommunen, Kirchen, Ämter: Akteneinsicht in den Kantonen |
Transparenz-Geschichten aus dem Kanton Genf
Céline Argento, Léman Bleu Télévision, 14.11.2019 Nos conseillers d\'Etat dévoilent leur agendaMit dem kantonalen Transparenzgesetz konnte das Genfer Fernsehen Léman Bleu die Zeitpläne vom 7. bis 13. Oktober 2019 der sieben Regierungsräte erhalten. Insgesamt ist die Woche sehr repräsentativ für die Arbeit der Regierungsmitglieder: Staatsratssitzungen, Sitzungen innerhalb der Departemente, parlamentarische Kommissionen, offizielle Einweihungen, Apèros, Interviews mit den Medien: Solche Termine sind in den Outlook-Agenden zu lesen. Erstaunliches Detail: Obwohl Pierre Maudet nur noch für die Wirtschaft verantwortlich ist, ist sein Terminkalender so voll wie das seiner Arbeitskollegen. Maudet erklärt, er könne sich nun Zeit nehmen, um Unternehmer zu treffen.
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Camille Krafft, Renaud Bournoud, Fanny Giroud, 24 heures, 31.07.2019 Le Conseil d’État vaudois a fait 136 voyages en 7 ansGestützt auf das kantonale Öffentlichkeitsgesetz hat «24 heures» eine Liste der Auslandreisen von Regierungsräten der letzten Jahre herausverlangt. Die Unterschiede sind gross: Als Regierungspräsidentin hat Nuria Gorrite (SP) eine einzige kurze Reise nach Paris unternommen. Philippe Leuba (FDP) hingegen hat 237 Tage im Ausland verbracht. |
Mehr Geschichten |
Philippe Reichen, Tages-Anzeiger, 01.06.2019 Auch Kantone buhlen um die ChinesenBislang war nicht bekannt, wie der Kanton Genf den chinesischen Rohstoffhändler Cofco davon überzeugen konnte, seinen internationalen Hauptsitz nach Genf zu verlagern. Die NGO Public Eye hat jetzt mit dem Genfer Informationsgesetz eine von Staatsrat Pierre Maudet unterschriebene, rechtlich unverbindliche Absichtserklärung (MOU) herausverlangt und dem Tages-Anzeiger weitergereicht. Im zweiseitigen Papier wird staatliche Hilfe in Form von Arbeitsbewilligungen für Cofco-Mitarbeiter und Steuerdeals in Aussicht gestellt. |
Sophie Simon, Tribune de Geneve, 17.08.2018 Patrons mauvais payeurs: Vaud plus dur que GenèveKommt es zu einer Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen, reagieren Genf und Waadt unterschiedlich. Während Waadt Sanktionen ergreift, sucht Genf den Dialog. Die «Tribune de Genève» stellte für ihre Recherche beim kantonalen Sozialversicherungsamt (OCAS) auf Grundlage des Genfer Informationsgesetzes (LIPAD) eine Anfrage zur Zahl der eingereichten Strafanzeigen. |
Yannick Tenet, Dominique Willemin, RTS Temps présent, 31.05.2018 Une Suisse au-dessus de tout soupçonDie RTS-Sendung «Temps Présent» hat mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes aufgedeckt, wie Grundbesitzer bei Verstössen gegen geltenden Bau- und Zonenregeln mit den Behörden verhandeln. Statt wirklich tätig zu werden, verfügen Ämter Pro-Forma-Bussen und kommen so in den Verdacht, einflussreichen Mitbürgern Freundesdienste zu verschaffen. |