Interkantonale Trägerschaft schützt vor Transparenz nicht

Von Marcel Hänggi. Die Fachhochschule St. Gallen (FHS) untersteht – selbstverständlich – dem sanktgallischen Öffentlichkeitsgesetz, wie die Rekurskommission der FHS feststellt. Schulleitung und Hochschulrat wollten dies anders sehen.
Die Schweiz kennt das Öffentlichkeitsprinzip auf Bundesebene. Die meisten Kantone kennen es auf kantonaler und kommunaler Ebene. Doch was ist mit interkantonalen Körperschaften – namentlich, wenn unter den Trägerkantonen solche sind, die immer noch nach dem Geheimhaltungsprinzip funktionieren?
Diese Frage hatte die Rekurskommission der Fachhochschule St. Gallen (FHS) zu beurteilen. Die FHS wird von den Kantonen St. Gallen, Thurgau und beiden Appenzell getragen, von denen lediglich der Sitzkanton St. Gallen das Öffentlichkeitsprinzip vollständig kennt.
Christian Gutknecht verlangte von der FHS Einsicht in Verträge mit wissenschaftlichen Fachverlagen. Gleich lautende Einsichtsgesuche hat Gutknecht an mehrere Schweizer Hochschulen gerichtet. Er versucht so, Licht in den undurchsichtigen Monopolmarkt der wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu bringen.
Für die Rekurskommission eine klare Sache
Das Rektorat der FHS trat auf das Gesuch gar nicht ein: Die FHS unterstehe als interkantonale Hochschule nicht dem sanktgallischen Öffentlichkeitsgesetz (OeffG). Der Hochschulrat stützte diese Sichtweise mit dem Argument, die interkantonale Vereinbarung über die FHS aus dem Jahr 1999 unterstelle die Hochschule nicht explizit dem sanktgallischen Öffentlichkeitsrecht.
Gegen diesen Entscheid hat Gutknecht mit Unterstützung des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch bei der Rekurskommission der FHS rekurriert. Die Kommission hat den Rekurs gutgeheissen – und lässt keine Zweifel offen. Die interkantonale Vereinbarung aus dem Jahr 1999 konnte das OeffG gar nicht explizit nennen, weil es das Gesetz 1999 noch nicht gab.
Es sei aber der Zweck des OeffG, die «Transparenz über den Auftrag, die Organisation und die Tätigkeit der Verwaltung [zu] fördern». Die FHS sei eine «selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit Sitz in St. Gallen. Es ist unbestritten, dass die FHS Staatsaufgaben erfüllt. Dass die FHS aufgrund ihrer interkantonalen Trägerschaft nicht als eine öffentlich-rechtliche Anstalt eines einzelnen Trägerkantons gelten kann, ist unerheblich.»
Im übrigen sehe die Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich der Konferenz der Kantonsregierungen klar fest, dass das Recht am Sitz der interkantonalen Institution gilt, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die FHS wird Gutknechts Zugangsgesuch also substanziell prüfen müssen.
Kein Blick in die Vergangenheit erlaubt?
Soweit ist der Entscheid der Rekurskommission eindeutig. Doch ein Punkt irritiert: Anwendbar, schreibt die Kommission, sei das OeffG nur für Dokumente, die nach Inkrafttreten des Gesetzes erlassen wurden, denn das OeffG sehe keine Rückwirkung vor.
Das widerspricht gängiger Rechtspraxis, derzufolge das Öffentlichkeitsprinzip nur dann nicht rückwirkend gilt, wenn dies im Gesetz explizit so geregelt ist – wie etwa auf Bundesebene in Art. 23 des Öffentlichkeitsgesetzes (BGÖ). Wo eine solche Bestimmung fehlt, wird das Öffentlichkeitsprinzip dagegen rückwirkend angewandt – etwa im Kanton Zürich.
Auch in St. Gallen hat der Gesetzgeber wie in Zürich darauf verzichtet, die Rückwirkung des Öffentlichkeitsprinzips explizit auszuschliessen. Das kantonale Verwaltungsgericht hat am 26. Oktober 2017 zudem festgestellt: «Konkrete Anhaltspunkte, aufgrund welcher die Rückwirkung in Frage zu stellen wäre, sind nicht ersichtlich». Das scheint der Rekurskommission der FHS entgangen zu sein.