Kein Bock: Behörden halten Namen von Gewählten geheim

Geheimnis um Gewählte: Die Regierungsspitze der Stadt Baden nach der Wahl. (Foto: Ennio Leanza/Keystone)

Von Marcel Hänggi. Die Informationen sind so öffentlich, wie sie in einer Demokratie nur sein können: Namen von Amtsträgern und Amtsträger­innen. Aber die Behörden in den Kantonen Thurgau und Aargau hatten keine Lust, hilfsbereit zu sein.

Die Öffentlichkeitsgesetze sind Gesetze, die man idealerweise nur selten braucht. Denn ihre Einführung sollte einen Wandel in der Haltung der Behörden mit sich bringen: dass die Behörden sich bemühen, öffentliche Dokumente so gut als möglich zugänglich zu machen. Ein Gesetz bliebe für die wenigen Fälle nötig, in denen das Öffentlichkeitsinteresse mit legitimen Geheimhaltungsinteressen in Konflikt geriete.

Als Journalist habe ich mich ab und zu auf das Öffentlichkeitsprinzip berufen, wenn ich öffentliche Informationen suchte, bei denen ich zumindest nachvollziehen konnte, dass nicht alle Freude daran haben, dass sie öffentlich sind. Jetzt aber suchte ich im Rahmen eines politischen Projekts Informationen und dachte zunächst gar nicht daran, dass ich mich dafür auf Öffentlichkeitsgesetze würde berufen müssen: Ich wollte eine Liste aller Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten der Schweiz erstellen, wenn möglich mit Parteizugehörigkeit. Die Namen sind so öffentlich, wie es Informationen in einer Demokratie nur sein können – schliesslich verdanken all diese Personen ihr Amt einer öffentlichen Wahl, und die Parteizugehörigkeit wird in solchen Wahlen in aller Regel von den Personen selber aktiv bekannt gemacht.

Die Liste, die ich wollte, war mir nicht sehr wichtig. Hätte ich dafür die Websites aller 2100 Gemeinden konsultieren müssen, wäre es mir den Aufwand nicht wert gewesen, aber 26 Kantone zu bitten, mir die Liste der Präsidentinnen und Präsidenten ihrer Gemeinden zu schicken, lag drin. Die allermeisten Kantone reagierten auf unsere Anfrage, wie ich es von einer öffentlichen Verwaltung erwarte: Sie waren hilfsbereit und schickten die gewünschten Informationen.

Widerrechtlich nach einer Begründung gefragt

Aber nicht alle. Genf, Luzern und Obwalden behaupteten, über keine solche Liste zu verfügen. Glauben kann ich das nicht, aber es war mir den Aufwand nicht wert, Druck zu machen. In Luzern und Obwalden wären mir auch die Hände gebunden gewesen: Sie gehören zu den letzten Kantonen, die noch am Geheimhaltungsprinzip festhalten.

Zwei Kantone aber wollten mir die Informationen verweigern: Aargau und Thurgau. Der Verband Thurgauer Gemeinden beschied uns lapidar: «Wir stellen Privatpersonen keine Liste mit den Kontakten zu.» Als ich auf das Öffentlichkeitsprinzip verwies, antwortete der Verband leicht gereizt: «Sie dürfen bei den Eigentümerinnen der E-Mail-Adressen (den einzelnen Gemeinden) jederzeit diese einfordern bzw. auf deren Websites die Adressen der Gemeindevorsitzenden beziehen – diese sind selbstverständlich öffentlich einsehbar.» Der Verband selber könne sie nicht herausgeben, denn er verwalte und nutze sie nur, sei aber nicht deren «Eigentümer».

Das ist natürlich Unsinn, denn Informationen, die «selbstverständlich öffentlich einsehbar» sind, kennen keine «Eigentümer».

Die Gemeindeabteilung der aargauischen Kantonsverwaltung verlangte zuerst eine Begründung, obwohl das aargauische Öffentlichkeitsgesetz (IDAG) ausdrücklich festhält, dass Gesuche keiner Begründung bedürfen (wie übrigens alle anderen Öffentlichkeitsgesetze mit Ausnahme des ausserrhodischen). Als wir sagten, worum es geht, kam das Njet: Man biete keine Hand für «politische Werbung». Erst jetzt verwies ich auf das IDAG. Nun behauptete die Gemeindeabteilung ohne Begründung und ebenfalls leicht gereizt, die gewünschten Informationen unterstünden nicht dem Öffentlichkeitsprinzip – und wenn sie es täten, müssten zuerst die Geheimhaltungsinteressen der betreffenden Personen gegen unser Interesse auf Offenlegung abgewogen werden.

Geheimhaltungsinteressen – bei Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden?

Nach dem Gesuch kam es zum Machtspiel

Ich stellte schliesslich in beiden Kantonen je ein formelles Gesuch (eigentlich hätten die Behörden in beiden Kantonen schon unsere erste Anfrage, spätestens aber den Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip als Gesuch werten müssen). Was darauf folgte, war eigentlich nur noch ein Machtspiel.

Im Thurgau bewilligte man mein Gesuch, aber ich müsse die Liste vor Ort einsehen. Das Gesetz lässt dies zu; das öffentliche Organ kann den Zugang zu Informationen nur vor Ort bewilligen. Einen sachlichen Grund, mir nicht eine elektronische Liste zuzustellen, gab es nicht, der Gemeindeverband begründete diese Auflage auch nicht. Sie war blosse Schikane. Und sie wirkte: Ich fuhr nicht nach Frauenfeld und verzichtete auf die Information.

Im Aargau argumentierte die Gemeindeabteilung, nachdem ich mein formelles Gesuch gestellt hatte, es handele sich um Personendaten, die nur unter gewissen Bedingungen bekannt gegeben werden dürften, und ich müsse mein Gesuch besser begründen. Indem sie diese Aussage nur auf die Parteizugehörigkeit bezog, räumte sie ein, dass die Namen keine geschützten Personendaten sind. Trotzdem bekam ich sie immer noch nicht.

Ich erklärte also geduldig nochmals, warum mich die Informationen interessieren – und bekam keine Antwort mehr. Erst als ich nach Ablauf der gesetzlichen Frist nochmals insistierte, schickte man mir endlich eine Liste aller Gemeindeammänner und -amtsfrauen des Kantons, und nochmals eine Woche später bekam ich in Form einer Verfügung mitgeteilt, dass ich die gewünschten Informationen über die Parteizugehörigkeiten nicht erhalte. Nun denn – ich verzichtete darauf, diese Verfügung anzufechten. 

Die Botschaft ist noch nicht überall angekommen

Im Thurgau ist das Öffentlichkeitsprinzip erst seit einem halben Jahr in Kraft. Es wurde gegen den Willen von Regierung und Parlament mittels einer Volksinitiative eingeführt. Der Thurgauer Öffentlichkeitsbeauftragte Fritz Tanner hat gegenüber Öffentlichkeitsgesetz.ch eine positive Bilanz der ersten Monate gezogen. Offenbar ist der Wandel aber doch noch nicht in jeder Amtsstube angekommen. Die Ironie dabei: Regierung und Parlament wollten kein Öffentlichkeitsgesetz, weil sie einen grossen bürokratischen Aufwand befürchteten. Jetzt hat der Verband der Thurgauer Gemeinden einen Aufwand getrieben, den Zugang zur Information abzuwimmeln, der weit grösser war, als wenn man mir die Liste einfach geschickt hätte.

Im Aargau ist das IDAG seit 2006 in Kraft, also längst etabliert, aber da war ich an eine Behörde geraten, die einfach nicht wollte. Sie versuchte mich abzuwimmeln, indem sie zunächst eine Begründung verlangte, dann einfach mal behauptete, das Gesetz sei nicht anzuwenden, und schliesslich, als sie die Rechtslage einsehen musste, schwieg und sich um die Fristen foutierte.

Ich kann mir nur ein Motiv für solches Handeln vorstellen: Paternalismus.


Marcel Hänggi ist Journalist, Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vereins Klimaschutz Schweiz


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