Anatomie eines gescheiterten Öffentlichkeits-Verhinderungs-Versuchs

Von Marcel Hänggi. Erstmals in der Schweiz hat eine Rechtsinstanz darüber befunden, inwieweit ein Vertrag einer öffentlichen Uni mit einem privaten Lehrstuhlsponsor geheim sein darf. Der fragliche Vertrag der Uni Zürich mit der UBS liegt nun fast vollständig offen – und enthält Skandalöses. Aber auch das ganze Verfahren erlaubt interessante Einsichten in Entscheidprozesse.

Der Geheimvertrag über 100 Millionen, den die Uni Zürich (UZH) am 22. Mai 2013 mit der UBS Foundation abgeschlossen hat, ritzt stark an der gesetzlich garantierten akademischen Unabhängigkeit der Uni. So erhält die UBS, die hinter dem Vertragspartner, der UBS Foundation, steht, weit gehende «Branding»-Rechte am Institut für Volkswirtschaft, einen garantierten Sitz im Instituts-Beirat, und das Abkommen genießt Exklusivität. Ich habe darüber in der WOZ vom 28. November geschrieben.

An dieser Stelle interessiert vor allem, wie der Kampf um die Offenlegung des Vertrags gelaufen ist – und was er über die Entscheidprozesse offenbart. Ganz abgeschlossen ist der Kampf übrigens nicht: Die UZH darf noch einige wenige Passagen des Vertrags geheim halten. Dagegen haben wir – ich und mein Kollege Matthias Daum von der Zeit – vor dem kantonalen Verwaltungsgericht Beschwerde eingelegt.

«Da steht wahrscheinlich gar nichts Interessantes drin»

Am Anfang stand eine Medienkonferenz, an der die UZH ihren 100-Millionen-Deal stolz präsentierte. Die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre bleibe gewahrt, versicherten die Vertreter von Uni und UBS. Die meisten JournalistInnen begnügten sich damit – außer mir und Matthias Daum: Wir wollten nicht blind glauben. Dabei ging es uns vor allem ums Prinzip. 

«Da steht wahrscheinlich nichts Interessantes drin», sagte mir NZZ-Redaktor und Unirats-Mitglied Christoph Wehrli – und das glaubte ich selber. Die Uni versuchte die Sache zuerst auszusitzen, antwortete statt wie im kantonalen Informations- und Datenschutzgesetz (IDG) vorgesehen mit einer Verfügung nur informell, verpasste im gesamten Verfahren fast jede Frist respektive beantragte Fristverlängerung. Und wie sie sich immer verzweifelter zu wehren begann – einmal rief uns sogar der Uni-Pressesprecher aufs Handy an und bettelte darum, wir sollten das Gesuch zurückziehen – da begannen wir zu ahnen: Ob wohl doch mehr dahinter steckt? Die Uni bot uns dann als erstes Entgegenkommen ein paar Zitate aus dem Vertrag, die die akademische Freiheit schützen. Pikant: Selbst um uns diese Zitate vorzulegen, musste die Uni die UBS Foundation darum ersuchen, sie von der Geheimhaltungspflicht zu befreien. Erst so erfuhren wir, dass es eine Geheimhaltungsklausel gab – das hatte der Sprecher der Uni bei unserer ersten Anfrage explizit geleugnet.

Was wusste der Unirat?

 Als mir Wehrli sagte, es stünde «wahrscheinlich» eh nichts Interessantes im Vertrag, vergaß ich nachzuhaken: wieso «wahrscheinlich»? Wehrli sitzt im Unirat, und der hat den Vertrag abgesegnet – nach heftigen Diskussionen, wie man hört, wobei sich schließlich die Position von Ernst Fehr, des Vaters des Deals, durchsetzte. Fehr verfügt über eine ungeheure Machtfülle: Er leitet sowohl das (bestehende) Institut für Volkswirtschaft wie das (neue) UBS International Center, ist Vizepräsident der UBS Foundation, Präsident der Excellence Foundation, die ebenfalls für das Institut Gelder einwirbt, und wird als Nobelpreiskandidat gehandelt (wie er selber gerne betont). So einen will man nicht verlieren.

Kannte nun der Unirat den Wortlaut der Vereinbarung, als er entschied? Wer wusste überhaupt wie viel? Die für die Wirtschaftswissenschaften zuständige Prorektorin, Andrea Schenker-Wicki, stand im Frühjahr 2013 im Wahlkampf um die Nachfolge des Rektors (sie unterlag Michael Hengartner). Vor dem Senat soll sie gesagt haben, sie kenne den Vertrag nicht – als zuständige Prorektorin! Ich fragte sie, ob das stimme. Sie demenierte nicht, sagte lediglich, sie sei noch nicht Prorektorin gewesen, als der Vertrag ausgearbeitet wurde, und heute würde sie den Vertrag kennen. Tatsächlich wurde sie erst im August Prorektorin – aber offenbar kannte sie den Vertrag noch ein halbes Jahr später nicht! Da war sie entweder unglaublich desinteressiert – oder der Vertrag wurde selbst im engsten Führungszirkel der Uni mit unglaublicher Geheimniskrämerei behandelt.

Die misslungene Taktik des Uni-Rechtsdiensts

 Nachdem die Uni zuerst gar nichts preisgeben wollte und sogar leugnete, dass der Vertrag eine Geheimhaltungsklausel aufweist, gab sie unter dem Druck des Verfahrens ein paar Sätze aus dem Vertrag bekannt, die die akademische Freiheit schützen. Sowohl Ernst Fehr wie Rektor Andreas Fischer hatten die Chuzpe, in Interviews zu behaupten, die Uni habe ja die «entscheidenden Passagen» des Vertrags publiziert. Aber wer hatte die Passagen publiziert? Einzig einzig ich auf meiner persönlichen Homepage!

Zum Verfahren gehörte, dass die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen (Reko) eine Stellungnahme des IDG-Fachmanns der Staatskanzlei (Dieter Müller) einholte. Nachdem die eindeutig zu unseren Gunsten ausfiel, ergriff die Uni die Flucht nach vorn: Sie legte der Reko eine Vertragskopie vor, in der weite Teile eingeschwärzt waren. Diese Kopie war sie bereit offenzulegen – wenn es denn unbedingt sein müsse. Es müsse, entschied die Reko in einem Zwischenentscheid im Frühjahr.

Mit diesem Schachzug gewann die Uni Zeit, indem die Reko den Schlussentscheid auf später verschob. Doch im Nachhinein können wir sagen: Wir haben dadurch zusätzliche Information gewonnen. Wir wissen nun nämlich, was die Uni auf gar, gar, gar keinen Fall öffentlich bekannt haben wollte. Wäre es bei dem exzessiv eingeschwärzten Vertrag vom Frühjahr geblieben, so stünde tatsächlich kaum Brisantes darin. Wir würden glauben, der Vertrag betreffe nur die Uni und die (nicht gewinnorientierte) UBS Foundation, und sie regle nur Dinge, die das neu zu schaffende UBS Center angehen. Nun aber sehen wir, dass der Vertrag dem Unternehmen hinter der UBS Foundation – nämlich der UBS selber – weit gehende, mit der akademischen Unabhängigkeit schwer zu vereinbarende Rechte einräumt. Das ergibt ein völlig anderes Bild. Außerdem hatte die Uni die Exklusivitätsklausel geschwärzt, die ihr verbietet, im Bereich der Wirtschaftswissenschaften Abkommen von «ähnlicher Sichtbarkeit» mit anderen Geldgebern einzugehen.

Wie tauglich ist die zuständige Rekurskommission?

Während auf Bundesebene ein abgelehntes Akteneinsichtsgesuch vor den Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) weiter gezogen werden kann, ist im Kanton je nach Behörde, die das Gesuch ablehnt, eine andere Stelle zuständig. Bei uns war das die Reko, ein Laiengremium, das sich sonst vor allem mit Prüfungsrekursen und Ähnlichen befasst. Das zeigt sich am Entscheid, der in seiner Qualität von den Entscheiden der Fachleute des EDÖB weit abfällt. So versäumte es die Reko, eine wirkliche Interessenabwägung vorzunehmen, wie sie §23 IDG verlangt.  Das ist auch der Grund, weshalb wir den Entscheid, trotz unserem jetzigen 90-Prozent-Sieg an das Verwaltungsgericht weiter ziehen.

Ihren Zwischenentscheid vom Frühjahr hat die Reko allein aufgrund des eingeschwärzten Vertrags gefällt – was die Uni eingeschwärzt hatte, wusste die Reko auch nicht. Wie ich erfahren habe, musste die IDG-Fachstelle der Staatskanzlei erst mit dem Zaunpfahl winken, bis die Reko auf die Idee kam, von der Uni den ungeschwärzten Vertrag zu verlangen, um ihren Schlussentscheid vom 3. Oktober darauf zu basieren.

Aber das Gesetz ist jung – und die entscheidenden Instanzen können ja noch lernen!

Nachtrag am 19. Dezember 2013: Das Interims-Rektorat der Universität Zürich hat heute auch die letzten noch eingeschwärzten Teile des Vertrags offen gelegt, dazu die zwei bereits abgeschlossenen Verträge zu Lehrstühlen am UBS-Center! http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2013/uzh-und-ubs-foundation-schaffen-transparenz-.html


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