Interkantonale Transparenz: Zürcher Regierung blitzt ab

Von Martin Stoll. Die Zürcher Regierung wollte sich einem unangenehmen Entscheid zur Transparenz bei interkantonalen Gremien entziehen. Jetzt hat das Verwaltungsgericht ein Machtwort gesprochen.
Im Mail mit Anhang wünscht die Juristin im Generalsekretariat der Zürcher Gesundheitsdirektion kurz vor Weihnachten 2018 allen einen «reibungslosen Start ins 2019». Es ist der Anfang eines Rechtsstreits um Transparenz, der die Regierungen von St. Gallen bis Genf noch heute umtreibt.
Bevor die Stabsjuristin der Zürcher Verwaltung die letzten Mails des Jahres abgeschickt hatte, stand sie in engem Austausch mit der Spitze der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), der damaligen St. Galler Regierungspräsidentin Heidi Hanselmann, dem Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger und Michael Jordi, dem Generalsekretär der mächtigen GDK.

Grund für die Telefonkonferenzen und den Mailaustausch war ein Zugangsgesuch, das Öffentlichkeitsgesetz.ch drei Monate zuvor bei der Zürcher Gesundheitsdirektion eingereicht hatte: Wir verlangten Zugang zu Einladungen und Traktandenlisten des GDK-Vorstandes.
Mandat von der Öffentlichkeit und trotzdem geheim
Wir wussten: Das wird schwierig werden, denn die zunehmend einflussreichen interkantonalen Konferenzen und Konkordate sind bis heute formell keiner Transparenz verpflichtet. Obwohl sie mit öffentlichen Geldern finanziert und in öffentlichem Auftrag agieren, haben sie sich privatrechtlich organisiert. So entziehen sie sich dem in fast allen Kantonen der Schweiz geltenden Öffentlichkeitsprinzip.
Um trotzdem an die Dokumente der Gesundheitsdirektoren zu kommen, klopften wir beim Kanton Zürich an. Von hier aus wurde die GDK vom damaligen Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger geleitet. Hier – so unser Kalkül – mussten die in Bern verfassten Dokumente ebenfalls lagern.
Unser Verein, der sich seit 2011 für Behördentransparenz starkmacht, war der Zürcher Gesundheitsdirektion damals kaum bekannt. Abwechselnd nannte sie uns «Verein für Öffentlichkeitsarbeit» und «Verein Öffentlichkeitsprinzip.ch». Die mit dem Fall betraute Verwaltungsjuristin verlangte vorab eine Kopie der Statuten – «zwecks Klärung der Parteifähigkeit». Ein absolut unübliches Vorgehen bei Zugangsgesuchen, welche eigentlich bürgernah, niederschwellig und unbürokratisch abgewickelt werden sollen.
Kantonsentscheid in Absprache mit der Konferenz
Die Zürcher Gesundheitsbehörden schienen schon jetzt zu ahnen, was sie in einer späteren Rechtsschrift so formulieren würden: «Der Entscheid in vorliegender Streitsache dürfte zu einem Grundsatzentscheid bezüglich der Geltung des Öffentlichkeitsprinzips für interkantonale Organisationen führen, der erhebliche Auswirkungen auf die interkantonalen Konferenzen sowie die Kantone haben kann.»
Die Verfügung die von der Zürcher Gesundheitsdirektion mit den guten Wünschen zum Jahreswechsel dann Ende 2018 verschickt wurde, kam wenig überraschend auch zum Schluss: «Das Informationszugangsgesuch wird abgewiesen.»

Begründet wurde das Verdikt nach Absprache mit der im Berner «Haus der Kantone» domizilierten Konferenz unter anderem mit dem Argument, bei der kantonalen Konferenz handle es sich um ein Regierungsgremium, deren Beratungen auch im Kanton Zürich nicht öffentlich seien. Zudem gehe es nicht, dass die Einsichtnahmen in Dokumente der interkantonalen Konferenz «auf dem Umweg über einen einzelnen Kanton» erzwungen werde.
Versuchtes Abschieben an die Berner Dunkelkammer
Noch erwähnt werden muss: Zuvor hatte die Zürcher Gesundheitsdirektion unser Gesuch, das wir gestützt auf das kantonale Informationsgesetz (IDG) gestellt hatten, zur Beantwortung ungefragt nach Bern ans Generalsekretariat der Gesundheitsdirektorenkonferenz übermittelt. Da der Kanton Zürich «nicht Herrin über diese Unterlagen» sei, müsse diese darüber entscheiden.
Natürlich hatte uns die GDK abblitzen lassen. Es handle sich bei den verlangten Sitzungseinladungen um «interne, d.h. von der GDK selbst erstellte Dokumente.» Der Zugang zu solchen Akten erfolge «nach den Regeln, mit denen die GDK die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit als interkantonale Konferenz informiert».
«Ein verfassungsmässiges Recht geltend gemacht»
Der Zürcher Regierungsrat, auf dessen Tisch der Streitfall um Transparenz landete, leistete sich dann einen eigentlichen Schildbürgerstreich: Er argumentierte, nach kantonalem Recht gebe es niemanden, der für die Behandlung des Gesuchs zuständig sei. Die Gesundheitsdirektion hätte «mangels Zuständigkeit» auf unser Gesuch gar nicht eintreten dürfen.

Mit einer abenteuerlichen Auslegung von Artikel 9 der Zürcher Informationsverordnung – er regelt die Zuständigkeiten bei der Behandlung von Zugangsgesuchen – entzog uns der Regierungsrat unser verfassungsmässig garantiertes Recht auf Informationszugang.
In seinem Urteil von Mitte Mai liess das Zürcher Verwaltungsgericht die Regierung mit dieser gewagten Argumentation ins Leere laufen: Die Zürcher Gesundheitsdirektion sei sehr wohl zuständig für die Behandlung des Zugangsgesuchs – auch wenn die angefragten Dokumente von der interkantonalen Konferenz stammten. Das Zugangsgesuch müsse gemäss den Vorgaben des Zürcher Informationsgesetztes geprüft werden.
Mit unserem Gesuch hätten wir ein uns zustehendes verfassungsmässiges Recht geltend gemacht und nicht wie die Zürcher Behörden behaupteten, versucht, eine Einsicht «auf dem Umweg über einen einzelnen Kanton» zu erzwingen.
Das sieht die Zürcher Regierung anders: Sie hat beim Bundesgericht Beschwerde gegen das Urteil eingelegt.