Die Thurgauer Regierung will von Transparenz nichts wissen

Sich von der Öffentlichkeit nicht über die Schultern schauen lassen: Thurgauer Regierungsmitglieder nach einer Medienkonferenz zum Tierschutzfall Hefenhofen. (Foto: Keystone/Christian Merz)

Von Martin Stoll. Der Thurgauer Regierungsrat stellt sich erneut hartnäckig gegen die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips. Er bemüht längst überholte, populistische Argumente.

Die Stellungnahme beginnt mit einem langatmigen Überblick über die gegenwärtige Rechtslage. Doch dann greifen die Magistraten zum Zweihänder und wehren sich verbissen gegen die Schaffung eines Öffentlichkeitsgesetzes.

Zum Statement gezwungen wurde die Ostschweizer Exekutive, nachdem 4265 Bürgerinnen und Bürger per Volksinitiative endlich die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips verlangt hatten. Thurgau ist einer der wenigen Schweizer Kantone, der ein solches noch nicht kennt. In seinem Positionspapier zu Händen des Parlaments stellt sich der Regierungsrat jetzt gegen die Initianten und hält an früheren Entgegnungen tapfer fest. Die bei anderer Gelegenheit gemachten Darlegungen hätten «nach wie vor Gültigkeit», betont die Regierung.

Aufdeckung von Missständen unter den Tisch gewischt

«Der Mehrwert des Öffentlichkeitsprinzips ist nicht belegt», schreibt die Regierung beispielsweise – und ignoriert, dass in den letzten Jahren Journalisten mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes teils gravierende Missstände ans Tageslicht gebracht haben. So stiess «Der Bund» auf  auffällige Beschaffungen und eine Korruptionsaffäre im Staatssekretariat  für Wirtschaft.

Unerwähnt liess die Thurgauer Regierung in ihrem Papier den schwerwiegenden Fauxpas eines Bündner Regierungskollegen. Regierungsrat  Mario  Cavigelli  hatte seinem  Parlament  letztes Jahr wichtige  Informationen  zu  einem  Gesetzgebungs-Projekt  vorenthalten. Die  «Südostschweiz»  deckte dies mit dem Öffentlichkeitsgesetz des Bundes auf. Der Vorgang  war  so  brisant,  dass  der  CVP-Regierungsrat  nur  knapp  an  einer  parlamentarischen  Untersuchung  vorbeischrammte.

Auch dass die Behörden nur mit Glück verhindern konnten, dass Rechtsextreme und Dschihadisten von der Armee an der Waffe ausgebildet wurden, hätte  die  Öffentlichkeit  ohne  ein  Zugangsgesuch  nie  erfahren.

Populistisch droht die Regierung mit zusätzlichen Stellen

Die Thurgauer Regierung schreibt in ihrem Bericht «vor einem nicht unwesentlichen bürokratischen Aufwand, der mitunter zwangsläufig zu einem Stellenausbau führt». Dieses Argument tischte die Thurgauer Regierung schon in der Antwort auf eine Motion des Kantonsrat Ueli Fisch im August 2015 auf. Damals war es  genauso falsch wie heute. Denn die meisten Schweizer Kantone setzen das Öffentlichkeitsprinzip ohne zusätzliches Personal um, darunter auch Zug und Graubünden, welche das Geheimhaltungsprinzip jüngst abgeschafft haben.

Absurd argumentiert die Thurgauer Regierung zudem, wenn sie schreibt, mit der Einführung eines Transparenzgesetzes müsse man sich mit immer neuen «auslegungsbedürftige Fragestellungen» beschäftigen – keine zusätzliche Last, sondern Behördenalltag, müsste man meinen. Recht haben die transparenzscheuen Politiker, wenn sie schreiben, dass sie wegen der Aarhus-Konvention bei Umweltinformationen dem Transparenzprinzip bereits verpflichtet sind. 

Der Thurgauer GLP-Kantonsrat Ueli Fisch, der das Volksbegehren initiiert hat, bezeichnet die Stellungnahme gegenüber der Thurgauer Zeitung als «bedenklich». Mit ihrem Verständnis von Öffentlichkeit und Transparenz verharre die Regierung «im Mittelalter». Im Thurgau herrsche ein «willkürlicher Umgang mit Informationen» vor.

Voraussichtlich Mitte 2019 stimmt die Thurgauer Bevölkerung über die Transparenz-Initiative ab.


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