«Die Öffentlichkeitsgesetze sind ein positives Druckmittel»

Beruft sich gezielt auf seine Zugangsrechte: Journalist Rocchi. (Foto: Keystone/Jean-Christophe Bott)

MAKING-OF Ludovic Rocchi erhielt für eine  Reportage entklassifizierte Dokumente der  Armee. «Auch in sensitiven Bereichen sollen Journalisten mit dem BGÖ arbeiten», sagt der Journalist von Temps Présent.

 

Das Gesuch hatte Rocchi beim Verteidigungsdepartement (VBS) am 25. April 2018 deponiert. Sein Ziel: Dokumente, welche die Interessen der Armee für den Kauf von Spionagesatelliten belegen würden. Zwei Wochen später gab das VBS grünes Licht und entklassifizierte sogar vertrauliches Material. 

In einer kürzlich publizierten Dokumentation leuchtet Rocchi und sein Kollege Xavier Nicol das einst in Payerne (VD) domizilierte Raumfahrtunternehmen Swiss Space Systems (S3) aus. Die Firma wollte mit einem Space-Shuttle Mini-Satelliten in die Erdumlaufbahn bringen und bot seine Dienstleistungen auch den Schweizer Behörden an. Die Militärs hatten Interesse, schlossen dann aber doch keine Verträge ab. Zum Glück, denn rasch geriet das Start-up in finanzielle Schwierigkeiten.

Es scheint, als wäre es ein Kinderspiel gewesen, mit dem Öffentlichkeitsgesetz an geheime Informationen zu kommen. 

Ludovic Rocchi:  Das täuscht. Es ist nicht so, dass uns die Informationen in dieser Recherche nachgeworfen worden sind. Wir haben mit vielen Zeugen gesprochen und auf verschiedenen Kanälen interne Dokumente gesammelt. Am Schluss wussten wir sehr viel. Das VBS musste unsere Recherchen deshalb wohl oder übel bestätigen.

Wieso setzten Sie dann auch noch das Öffentlichkeitsgesetz ein?

In einem Punkt ergaben sich Differenzen zwischen der Schilderung des VBS und unseren Recherchen. Die Armee behauptete, Verhandlungen über den Einsatz von Spionage-Satelliten seien lediglich «informell» gewesen. Diesen Punkt wollten wir klären – und haben deshalb mit dem Öffentlichkeitsgesetz des Bundes (BGÖ) die entsprechenden Dokumente herausverlangt.

Das Öffentlichkeitsgesetz war ein Recherchewerkzeug von mehreren?

Genau. Wir setzten das Öffentlichkeitsgesetz des Bundes gezielt ein. Erst gegen Schluss unserer Recherchen verlangten wir die schriftlichen Dokumente zwischen S3 und dem Nachrichtendienst der Armee. Es dauerte zwei Wochen, dann lagen fünf Dokumente auf unserem Tisch. Einige davon sind extra entklassifiziert worden. Alle Namen waren geschwärzt, was einigermassen absurd ist. Wir wussten ja sehr genau, welche Firmen und Personen hinter den schwarzen Balken versteckt waren. 

Wieso bekamen sie so unkompliziert Zugang?

Die Transparenz war hier auch im Interesse des VBS. Das spielte sicher eine Rolle. Die Militärs konnten mit den Dokumenten belegen, dass kein Vertrag unterschrieben worden ist. Weil wir im Vorfeld des Gesuchs umfangreich recherchiert hatten, waren wir zudem in einer guten Position. Hätten wir nur mit wenig Wissen im Rücken ein BGÖ-Gesuch eingereicht, wären wir wohl abgeblitzt. 

Dass der Bund Dokumente entklassifiziert und zugänglich macht, ist eher aussergewöhnlich. 

Sicher. Vor allem im Bereich der Staatssicherheit. Das ist ein Präjudiz, das auch in anderen Fällen hilfreich sein kann. Journalisten sollen auch in sensitiven Bereichen vermehrt mit dem BGÖ arbeiten. Zugangsgesuche sind auch in Geheimbereichen nicht a priori aussichtslos.

Welche  Erfahrungen haben Sie sonst mit den Öffentlichkeitsgesetzen gemacht? 

Das sind wichtige Instrumente für Medienschaffende, die es zu verteidigen gilt. In meiner 28-jährigen Karriere habe ich sie zwar noch nicht sehr oft eingesetzt. Oft gelange ich auf anderen Kanälen rascher zu Informationen. Aber es braucht beides: ein gutes Quellen-Netz und die Rechtsmittel, die einem Zugang zu Informationen garantieren. Die Öffentlichkeitsgesetze sind ein Druckmittel. Das ist in einem durchaus positiven Sinn gemeint. Sie geben uns Rechercheuren das Gewicht, das wir im Verkehr mit den Behörden brauchen. 

Was müsste besser werden an der Umsetzung der Gesetze? 

Die Bearbeitungsfristen sind ein Problem. Medienschaffende brauchen Informationen oft sehr schnell. Zudem neigen Kantone dazu, Informationen zurückzuhalten. Wohl aus Angst und wegen der mangelnden Erfahrung setzen sie ihre Gesetze weniger gewissenhaft als der Bund um. Hier besteht an einigen Orten gewiss Nachholbedarf.

Interview: Julia Rippstein

 


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