Transparenz-Verbote sind nicht sakrosankt

Die Pensionskasse des Kantons Genf soll keine Blackbox sein. Dies hat das Bundesgericht in einem Verfahren gegen die Genfer Justiz entschieden. Ein Journalist wollte das Protokoll einer Vorstandssitzung einsehen, was ihm die Pensionskasse verweigerte.
Die Genfer Pensionskasse unterliegt dem Öffentlichkeitsprinzip und dieses hat Vorrang gegenüber dem Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) in dem eine Schweigepflicht verankert ist. Das geht aus einem kürzlich publizierten Urteil des Bundesgerichts hervor.
Die Genfer Justiz berief sich auf das BVG, um einem Journalisten die Herausgabe eines Protokolls der kantonalen Pensionskasse zu verweigern. Dies sei kein gültiges Argument, entschieden die Lausanner Richter und wiesen den Fall zur Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurück.
Der Rechtsstreit geht zurück auf Mai 2020 zurück: Damals stellte der stellvertretende Chefredaktor der Tageszeitung «Le Temps» der Pensionskasse Fragen zur Veröffentlichung einer Pressemitteilung der Entente (FDP und CVP). Die Parteien kritisierte darin zwei Entscheidungen: die Änderung der Sterbetafeln und die Senkung des technischen Zinssatzes.
Für seine Recherche wollte der Journalist unter anderem Einsicht in das Protokoll einer Vorstandssitzung. Die Pensionskasse beantwortete die Fragen, wies jedoch das Zugangsgesuch ab. Ihre Begründung: Die im Bundesgesetz über die BVG verankerte Schweigepflicht habe Vorrang vor dem Genfer Öffentlichkeitsgesetz (LIPAD).
Eine Schlichtung vor dem Genfer Öffentlichkeitsbeauftragten scheiterte. Im April 2021 bestätigte das Genfer Kantonsgericht den Standpunkt der Pensionskasse.
Ein allgemeines Recht auf Zugang
Der Fall landete vor dem Bundesgericht, welches dem Genfer Entscheid nun widerspricht. Das Gericht hält fest, das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) gewährleiste ein allgemeines Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten. Das Öffentlichkeitsprinzip sei auch in der Genfer Verfassung und im LIPAD verankert.
Das im BVG festgeschriebene Amtsgeheimnis für die Mitglieder des Vorstandes erlaube es nicht, die Anwendung des BGÖ vollständig auszuschliessen. Vielmehr müsse die Tragweite der in einem Bundesgesetz vorgesehenen Wahrung eines Geheimnisses im Zusammenhang mit dem Öffentlichkeitsprinzip definiert werden.
Das Öffentlichkeitsprinzip würde ausgehöhlt
Die Verpflichtung zur Geheimhaltung gelte nicht für alle zugänglichen Dokumente, hält das Gericht in seinem Urteil explizit fest. Ansonsten würde das Öffentlichkeitsprinzip weitgehend ausgehöhlt. Eine Geheimhaltung gelte insbesondere nicht für Informationen, die keine persönlichen Daten enthielten. Das vom Journalisten angeforderte Protokoll enthalte keine solchen Informationen, schreibt das Bundesgericht.
Das Genfer Kantonsgericht muss nun entscheiden, ob die Sitzung der Pensionskasse öffentlich, nicht öffentlich oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Nach dem LIPAD schränkt nämlich der nichtöffentliche Charakter einer Sitzung das Recht auf Information und Zugang zu Unterlagen nicht ein. Bei einer geschlossenen Sitzung hingegen «müssen die Beratungen und Abstimmungen geheim bleiben».