Die Verwaltung verschweigt Tausende Datensammlungen

Lieber bunkern: Datenbearbeitung in der Bundesverwaltung. (Foto: Keystone/Gaetan Bally)

Von Martin Stoll. Zahlreiche Amtsstellen lassen den Bundesrat mit seiner Open-Government-Data-Strategie ins Leere laufen. Das zeigt ein interner Bericht des Bundesarchivs. 

Mit seiner 2014 verabschiedeten Strategie will der Bundesrat den freien Zugang zu nützlichen Datensätzen der Verwaltung fördern. Jetzt zeigt eine bislang nicht öffentlich gewordene Erhebung: Verwaltungsintern stösst das Vorhaben auf erheblichen Widerstand. 

Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz hat der Tagesanzeiger Zugang zu einem Bericht über die Umsetzung der Open-Governement-Data-Strategie (OGD) des Bundes verlangt. Darin fasst das Bundesarchiv Ergebnisse einer Umfrage in der Bundesverwaltung zusammen. Diese war letztes Jahr aufgefordert worden, Datensätze bekannt zu geben, welche von Aussenstehenden genutzt werden könnten. Von den 104 angegangenen Verwaltungseinheiten ignorierten neun die Umfrage. 47 Behörden meldeten, keinen einzigen Datensatz zu besitzen, welcher sich zur Veröffentlichung potenziell eignen würde.

Bundesarchiv kritisiert «ungenügendes Bewusstsein»

Die Begründungen der Nicht-Meldungen sind vielfältig: Sie reichen von «zu aufwändig» bis «sicherheitsmässig bedenklich». Den Zugang zu einer Sammlung früherer Maturitätsprüfungen verweigert das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation mit Hinweis auf das Urheberrecht der beteiligten Lehrpersonen. Die Öffentlichkeit habe durch eine Publikation der Reisedatenbank des Bundes keinen zusätzlichen ökonomischen Nutzen, argumentiert das EDA.

Auf den ersten Blick sei das Ergebnis der Umfrage «äusserst bescheiden», konstatiert das für die OGD-Umsetzung zuständige Bundesarchiv in seinem Bericht «Dateninventarisierung Bund». Lediglich 236 Datensammlungen konnten neu erfasst werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Bundesverwaltung Tausende Datensammlungen betreibt. Das Inventar hätte – unabhängig von einem Publikationsentscheid – eine Übersicht über vorhandene Datenbanken schaffen und eine nationale Datenfreigabeplanung ermöglichen sollen. «Es ist anzunehmen, dass in der Verwaltung noch viele Datensammlungen vorhanden sind, von denen wir nichts wissen», sagt Andreas Kellerhals, der OGD-Verantwortliche des Bundes. 

Druck auf die Verwaltung machen jetzt Politiker: «Dieses ernüchternde Resultat zeigt, dass die OGD-Strategie des Bundesrates in den Verwaltungseinheiten noch nicht flächendeckend umgesetzt wird», sagt die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher. Sie präsidiert gemeinsam mit dem SVP-Nationalrat Franz Grüter die parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit. Der IT-Unternehmer spricht von «einer eigentlichen Datendunkelkammer in der Verwaltung».  Der Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli, der ebenfalls Mitglied der Parlamentariergruppe ist, fordert jetzt ein OGD-Gesetz: «Offensichtlich passiert freiwillig sehr wenig bis gar nichts», sagt er. 

Generalsekretäre sind gegen Data-Officers

Gleiches hat letzte Woche die Finanzkontrolle (EFK) in einem Prüfbericht festgehalten. Es müsse auch bei der Datenfreigabe eine flächendeckende Kultur der Offenheit und Transparenz etabliert werden, hielten die Prüfer fest und betonten, dass die beschlossene Open-Data-Strategie für die Bundesverwaltung verbindlich und jeder anderen vom Bundesrat verabschiedenden Weisung gleichgestellt sei. Die Generalsekretärenkonferenz (GSK) des Bundes fordert die EFK auf, «langfristig einen verbindlichen, wirksamen Rahmen für offene Behördendaten zu schaffen».

Doch ausgerechnet in den Vorzimmern der Bundesräte ist Skepsis auszumachen. Die Schaffung von Chief-Data-Officers, welche das Open-Data-Thema in der Verwaltung verankern sollten, lehnten die Generalsekretäre mehrheitlich ab. Vom Tisch ist der Vorschlag aber nicht: Im November befindet der Bundesrat über die Open-Data-Strategie der kommenden Jahre. Diese sieht vor, dass die Verwaltung stärker wie bis anhin zur Öffnung ihrer Datenbunker verpflichtet wird.  

 


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