«Jetzt ist klar: Pensionskassen sind keine Blackbox»

Journalist David Haeberli diskutiert mit Moderator Bastien von Wyss (rechts) im Café Transparence.

Von Julia Rippstein. Prix-Transparence-Regio-Preisträger David Haeberli deckte als Journalist von «Le Temps» eine geheime Entscheidung der Genfer Pensionskasse auf. Im Café Transparence berichtet er über den Rechtsstreit um das brisante Dokument.

Haeberlis Recherche zur Genfer Pensionskasse (CPEG) begann mit einer Volksabstimmung: Im Sommer 2019 genehmigte die Genfer Bevölkerung die Rekapitalisierung der Kasse – in der Version von Linken und MCG, mit 4,4 Milliarden Franken veranschlagt. Am Ende kostete das Sanierungsprojekt jedoch 6 Milliarden.

Wie sind die zusätzlichen fast zwei Milliarden zu erklären? Haeberli fand es heraus: Nach dreieinhalb Jahren Rechtsstreit enthüllte seine Recherche für Le Temps, dass der CPEG-Vorstand die Berechnungsgrundlagen geändert hatte – ohne Öffentlichkeit oder Politik zu informieren. Im Café Transparence erzählt er, wie er vor Bundesgericht Recht bekam.

Im Frühjahr 2020 stellt der Genfer Journalist ein Zugangsgesuch. Auslöser ist eine Medienmitteilung von FDP und Mitte, die kritisieren, dass der CPEG-Vorstand beschlossen habe, nochmals 2 Milliarden Franken für die Rekapitalisierung bereitzustellen. «An dieser Entscheidung war etwas seltsam», sagt Haeberli. «Also habe ich genauer hingeschaut.»

Mit aller Macht stemmte sich die Genfer Behörde gegen die Offenlegung des Protokolls: Café Transparence zur «Le Temps»-Recherche.

Auch dem Beauftragten wird das Dokument vorenthalten

David Haeberli richtet eine Liste mit Fragen an die Medienstelle der CPEG und verlangt Einsicht ins Protokoll jener Vorstandssitzung, die zu den zusätzlichen 2 Milliarden führte. Die Kasse beantwortet seine Fragen, verweigert aber die Herausgabe des Dokuments.

Der Journalist zieht vor die Schlichtungsstelle. Doch der kantonale Öffentlichkeitsbeauftragte kann keine Empfehlung abgeben – die CPEG legt ihm das umstrittene Dokument nicht vor. Auch ein neuer, juristisch gestützter Antrag prallt an der Argumentation der Kasse ab: Das Datenschutzgesetz habe Vorrang.

Haeberli klagt. Zwar gibt ihm das kantonale Gericht nicht recht, doch er bleibt dran: «Ein Punkt im Urteil liess uns hoffen, dass wir vor Bundesgericht eine Chance hätten.» Einer der drei Richter sah den Fall tatsächlich anders.

CPEG ist ein öffentliches Organ, sagt das Bundesgericht

Im März 2022 fällt das Bundesgericht ein erstes, wegweisendes Urteil. «Mon Repos fordert die Genfer Justiz auf, den Fall neu zu beurteilen», sagt David Haeberli. Für das oberste Gericht ist die CPEG ein Organ von öffentlichem Interesse – sie kann sich nicht hinter dem Datenschutz verstecken. Das Protokoll enthalte keine Versichertendaten und verletze daher kein Gesetz.

Sieben Monate später gibt das Kantonsgericht Haeberli teilweise Recht: Es gewährt Zugang zu den Dokumenten – allerdings nur in geschwärzter Form. «Hier beginnt der zweite Teil der Geschichte: der Kampf um die Schwärzung», sagt Haeberli. Die Pensionskasse, nun zur Veröffentlichung gezwungen, versuche mit allen Mitteln, möglichst wenig preiszugeben – eine «Transparenz à la Nixon».

Zweck des Gesetzes zunichte gemacht

Der Fall landet ein zweites Mal vor dem Bundesgericht – und im November 2023 gewinnt David Haeberli endgültig. Das Urteil ist deutlich: «Die Argumentation des Komitees transparent zu machen, entspricht dem Zweck des LIPAD», schreiben die Richter. Es sei sinnvoll, dass die Öffentlichkeit die verschiedenen Positionen mit ihren Begründungen kenne – andernfalls bleibe der Transparenzgrundsatz ein «toter Buchstabe».

«Mon Repos» entscheidet: Das Protokoll muss weniger stark geschwärzt werden als vom Kantonsgericht vorgesehen. Die Namen der Komiteemitglieder dürfen genannt werden, im Gegensatz zu jenen der Experten. Die Schlussabstimmungen hingegen bleiben anonym.

Am 8. Dezember 2023 erhält Haeberli endlich das Dokument. «Je mehr ich lese, desto grösser werden meine Augen», sagt er. Denn: Drei Mitglieder des Komitees fehlten – die Abstimmung war nicht ausgewogen. Ziel der Sitzung war es, zwei technische Entscheide zu treffen, die die Kosten für die Genfer Bevölkerung um zwei Milliarden erhöhten.

Diese Punkte waren zuvor kaum diskutiert worden. Regierung und Parlament wussten nichts davon. «Der Komiteepräsident äussert selbst sein Unbehagen. Ich hätte erwartet, dass man die Sitzung vertagt, um die Behörden zu informieren. Doch das Gegenteil ist passiert», sagt Haeberli.

Eine wichtige Rechtsprechung

Das Urteil gilt als wichtige Rechtsprechung zu Pensionskassen. «Man weiss jetzt, dass eine kantonale Pensionskasse dem Öffentlichkeitsgesetz untersteht», sagt David Haeberli. Solche Institutionen können sich nicht länger hinter Ausnahmen verstecken. Auch müssen ihre Entscheide künftig klar nachvollziehbar sein.

Für Haeberli, der heute beim Kanton Genf arbeitet, ist der Fall ein Beispiel dafür, dass solche Organe keine Blackboxes sein dürfen. «Sie treffen Entscheide von öffentlichem Interesse. Und wenn so viel Steuergeld im Spiel ist, lohnt es sich hinzuschauen.»

Dazu seien Werkzeuge wie das Öffentlichkeitsgesetz zentral: «Das sind mächtige Instrumente – und sie sind einfach nutzbar. Ich ermutige Medienschaffende, sie zu verwenden.»