Transparenz am See: Verein gewinnt vor Bundesgericht
Wer Sonderrechte in Anspruch nimmt, muss sich Transparenz gefallen lassen: Zürichsee bei Stäfa. (Foto: Walter Bieri/Keystone)
Von Eva Hirschi. Der Verein «Ja zum Seeuferweg» hat sich mit seinem IDG-Gesuch vor dem Bundesgericht durchgesetzt: Die Hauseigentümerin muss Einsicht geben in einen Konzessionsvertrag für ein Stück Land am Ufer des Zürichsees. Das Gericht schafft damit ein Präjudiz.
Was eine einfache Anfrage hätte sein können, schlug am Zürichsee hohe Wellen: Weil ein neues Wohnhaus auffällig nahe am Thalwiler Seeufer gebaut wurde, stellte Julia Gerber Rüegg, Präsidentin des Vereins «Ja zum Seeuferweg», ein Gesuch auf Einsicht in die kantonalen und kommunalen Baubewilligungsdokumente inklusive Konzessionsverträge.
Denn: Wer am Zürichsee ein Haus bauen will, muss einen Abstand von 20 Metern zum Ufer einhalten. Dies schien bei diesem Neubau, den Gerber Rüegg bei einem Spaziergang entdeckte, nicht der Fall zu sein. Damit See- und Flussufer freigehalten und der öffentliche Zugang und die Begehung gewährleistet sind, dafür setzt sich der Verein «Ja zum Seeuferweg» ein.
Kontrolle der Bewilligungspraxis der Behörden
Vereinspräsidentin Julia Gerber Rüegg kontaktierte zunächst den Kanton, der ihr versicherte, der Bau eines Uferwegs sei trotz geringerer Distanz zum Ufer möglich. Es gebe eine Vereinbarung; die Eigentümerin müsse Platz für einen solchen Weg schaffen, wenn ein Projekt vorliege.
Diese Ausnahmebewilligung, der eine sogenannte Landanlagekonzession zugrunde liegt, wollte Gerber Rüegg im konkreten Fall einsehen. «Das wollte ich mit eigenen Augen sehen», sagt sie. «Es geht mir nicht darum, die Eigentümerin zum Zurückbauen zu bewegen, sie hatte eine Baubewilligung, und Rechtssicherheit ist mir wichtig. Aber ich wollte den Mecano verstehen.» So stellte Gerber Rüegg im Sommer 2019 ein IDG-Gesuch.
Das Recht auf Seesicht
Sogenannte Konzessionsverträge gibt es rund um den Zürichsee zuhauf. Diese beziehen sich auf Landanlagen, die am Zürichsee durch Aufschüttungen im 19. und 20 Jahrhundert gewonnen wurden. Rund 95% des Ufers der Zürichsees bestehen aus solchen Aufschüttungen. Sowohl das ZGB (Art. 664) wie auch das Raumplanungsgesetz des Bundes (Art. 3) sehen vor, dass die Gewässer in der Schweiz öffentlich sind. Deshalb wurden sogenannte Konzessionsverträge erstellt, die einem Grundstückeigentümer das Recht zur Nutzung geben; sie enthalten öffentlich-rechtliche Einschränkungen. Oft steht, dass der Staat Land zurückfordern kann, wenn er es für die Erfüllung öffentlicher Interessen, z.B. für den Strassenbau, benötigt.
Fast hätte sie die Dokumente erhalten: «Der Kanton Zürich hätte mir die Unterlagen – wenn auch aus Persönlichkeitsschutz teilweise geschwärzt – schon gezeigt. Aber die Eigentümerin der Liegenschaft wollte die Akteneinsicht gänzlich verhindern», sagt Gerber Rüegg. Sie reichte Rekurs ein.
Die Hauseigentümerin befürchtete, dass aus der Baubewilligung Rückschlüsse auf ihre persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse möglich sein würden und sie im Rahmen der Debatte über einen Seeuferweg an den Pranger gestellt würde. Dies, obwohl das zuständige Amt vorgeschrieben hatte, solche Angaben zu anonymisieren. Nach einem negativen Beschluss beschritt die Grundeigentümerin den Rechtsweg über das Verwaltungsgericht bis ans Bundesgericht.
Kritische Berichterstattung ist legitim
Dieses hat nun entschieden: Das Gesuch des Vereins ist gerechtfertigt, die Beschwerde der Grundstückbesitzerin beurteilt es als «offensichtlich unbegründet». In seinem Urteil führt das Bundesgericht aus, es gebe kein überwiegendes privates Geheimhaltungsinteresse, zumal diese Bewilligung und die entsprechenden Unterlagen bereits einmal öffentlich zugänglich waren – und sich auf das bewilligte Bauprojekt und nicht auf die Eigentümerin beziehen.
Für Julia Gerber Rüegg ist dieses Urteil wichtig: «Es schafft Transparenz über genaue Eigentumsverhältnisse auf Konzessionsland und es macht klar, dass diese Verträge keine Geheimdokumente sind.» Und es zeige, dass eine kritische Berichterstattung über Baubewilligungen zulässig sei.



















